Die Kraniche des Ibykus

Ballade von Friedrich Schiller

Spieldauer 15 Minuten

 

 

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Schon winkt auf hohem Bergesrücken
Akrokorinth des Wandrers Blicken.
Nur Schwärme von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.
"Von euch, ihr Kraniche dort oben,
Wenn keine andre Stimme spricht,
Sei meines Mordes Klag erhoben!"
Er ruft es, und sein Auge bricht.
Der nackte Leichnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entstellt von Wunden,
Erkennt der Gastfreund in Korinth
Die Züge, die ihm teuer sind.
Und jammernd hören's alle Gäste,
Versammelt bei Poseidons Feste...
So schreiten keine ird'schen Weiber,
Die zeugete kein sterblich Haus!
Es steigt das Riesenmaß der Leiber
Hoch über menschliches hinaus.
 

 

Doch wehe, wehe, wer verstohlen
Des Mordes schwere Tat vollbracht!
Wir heften uns an seine Sohlen
Das furchtbare Geschlecht der Nacht!
Und glaubt er fliehend zu entspringen,
Geflügelt sind wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flücht'gen Fuß,
Daß er zu Boden fallen muß...
 

 



Die Kraniche des Ibykus

Der griechische Lyriker Ibykos lebte im 6. Jh. v. Chr. und stammte aus Rhegion in Unteritalien. Er lebte am Hof des Polykrates auf der Insel Samos. Er schrieb Chorlieder mythologischen und erotischen Inhaltes.

Die Sage von seiner Ermordung und der Entlarvung der Mörder durch Kraniche behandelt Friedrich Schiller in der Ballade Die Kraniche des Ibykus.

Ibykus befindet sich auf dem Weg zu den Rezitations- und Gesangswettbewerben in Korinth. Er gerät in einen Hinterhalt. Und auch seine Glückstiere, die Kraniche, können seine meuchlerische Ermordung durch zwei Schurken nicht verhindern.

Doch es bleibt nichts verborgen unter der Sonne. Im Amphietheater in Korinth stehen die Zuschauer (unter ihnen auch die beiden Mörder des Ibykus) im Banne der besinnungsraubenden Gesänge der Erinnyen, der Schicksals- und Rachegöttinnen der Antike. Als über dem Theater ein Kranichheer vorrüberzieht, verraten sie sich selbst. "Alle Schuld rächt sich auf Erden" (Goethe).