Der Ring des Polykrates

Ballade von Friedrich Schiller

Spieldauer ca. 15 Minuten


 

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Er stand auf seines Daches Zinnen,
Und schaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrschte Samos hin.

Und nimmt aus einem schwarzen Becken,
Noch blutig zu der beiden Schrecken,
Ein wohlbekantes Haupt hervor.

Mit fremden Schätzen reich beladen,
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.

     
Und wenn's die Götter nicht gewähren,
So acht auf eines Freundes Lehren,
Und rufe selbst das Unglück her.
Und jener spricht, von Furcht beweget.
Von allem, was die Insel heget,
Ist dieser Ring mein höchstes Gut.
Ihn will ich den Erinnyen weihen,
Ob sie mein Glück mir dann verzeihen-
Und wirft das Kleinod in die Flut.
     

 

Und bei des nächsten Morgens Lichte,
Da tritt mit fröhlichem Gesichte
Ein Fischer vor den Fürsten hin.
Herr, den Ring, den du getragen,
Ihn fand ich in des Fisches Magen;
Oh, ohne Grenzen ist dein Glück!
Hier wendet sich der Gast mit Grausen:
So kann ich hier nicht ferner hausen,
Mein Freund kannst du nicht länger sein.


Der Ring des Polykrates

Polykrates ist eine historische Figur. Er lebte im 6. Jhd. v. Chr. und war der griechische Fürst eines Inselreiches mit der Insel Samos als Zentrum. Auf dem Höhepunkt seiner Macht wurde er von einem persischen "Freund" in einen Hinterhalt gelockt und ermordet.

Der Ring des Polykrates ist die Ballade vom Glück. Doch gibt Schiller keineswegs eine Antwort was das Glück denn nun sei. Er will uns anregen selber darüber nachzudenken. Was ist für uns Glück? Gibt es das reine Glück? Ist es überhaupt erstrebenswert? Oder muß ekxtatisches Glück auch mit tiefem Leid verbunden sein- so wie ein Baum, dessen Wipfel den Himmel berühren, auch mit seinen Wurzeln immer tiefer ins Dunkel der Erde vordringen muß.

Friedrich Schiller überhäuft Polykrates, den Tyrannen von Samos, mit Glück. Seine Feinde werden in der Schlacht besiegt oder kommen im Sturm um. Doch gerade dies erschreckt seinen Gast, den ägyptischen König, zutiefst. Denn: wo so viel Licht ist, meint dieser, muß auch viel Schatten sein. Und so rät er Polykrates, was diesem am wertvollsten ist, ins Meer zu werfen, um nicht den Neid der Götter zu provozieren.

Und Polykrates wirft seinen wertvollsten Ring in die Fluten.

Am nächsten Morgen kommt aufgeregt ein Fischer ins Schloß und schenkt dem König einen Fisch, groß und schön wie er noch nie einen gefangen hat. Als der Koch diesen Fisch zubereiten will, findet er in dessen Magen den Ring, den Polykrates tags zuvor ins Meer geworfen hat.

Vom Grauen gepackt wendet sich der ägyptische Gast von Polykrates ab. Er flieht, um nicht in den Strudel des Unglücks zu geraten, in den Polykrates seiner Meinung nach bald versinken muß. Das Ende der Ballade bleibt aber offen. Friedrich Schiller verrät uns nicht, was die Zukunft für Polykrates bringt...